Fachhändler-Vortragsabend im POLOLO-ShowRoom zum Laufenlernen

Im Juni 2019 hatten wir unseren Vortragsabend „Kindliche Fußentwicklung“ mit der Physio- und Kindertherapeutin Silke Lucht bei uns im POLOLO-ShowRoom. Wir danken allen, die dabei waren – es war ein interessanter und schöner Abend – und wir freuen uns auf weitere Zusammenkünfte. Wer an weiteren Vorträgen bei uns interessiert ist, möge sich gerne melden. Für alle, die nicht teilnehmen konnten, hier unsere Zusammenfassung:

 

Klein sein dürfen: Babys und Kleinkindern Zeit geben!

Gerade in der heutigen, von Hektik, Schnelllebigkeit und Leistungsdruck geprägten Zeit sollten wir alle darauf achten, Babys und Kleinkindern ausreichend Freiräume zu geben noch „klein sein“ zu dürfen.
Zu der gesunden frühkindlichen Entwicklung im Vorfeld des Krabbelns und Laufenlernens ist es wichtig, motorische und sensorische Erfahrungen zunächst am Boden zu machen. Denn der eigene Körper muss ausgiebig erkundet und die Umwelt intensiv gespürt werden, um ein Abbild von sich selbst und der Welt im Gehirn zu erzeugen:
So untersuchen gesunde Kinder z.B. gerne ihre Füßchen – sie nehmen diese in den Mund, um sie zu spüren, und trainieren dabei gleichzeitig durch die damit verbundenen Streck- und Dehnbewegungen ihre Muskulatur. Auch reiben sie die Fußsohlen aneinander, um ein natürliches Körpergefühl auszuprägen.

Hinfallen und immer wieder aufstehen!

Manche Erwachsenen können es gar nicht abwarten, ihren Nachwuchs möglichst früh laufen zu sehen – und möchten zur Unterstützung gerne Hilfe geben. Es ist jedoch besser für die Kleinen, die sensomotorische Entwicklung „ohne Lücken“ erleben zu dürfen, denn das ist ja auch das Spannende am Großwerden!
Jeden einzelnen, auch mit Anstrengung und Fehlern verbundenen Lernfortschritt gilt es nämlich selbst zu erleben. Wir Erwachsenen sollten daher Fehlversuche also nicht unbedingt unterbinden – viel lieber unsere Kleinen immer wieder ermuntern, einen neuen Versuch zu wagen. Alle „Meilensteine“ der frühkindlichen Entwicklung müssen erstmal „eingesammelt“ werden, damit ein kleines Kind eine solide Grundlage für das weitere Aufwachsen erhält.
Als wichtiger Zwischenschritt gilt dabei das Hochziehen z.B. an Tischkanten mit ersten eigenen seitlichen Schritten. Hinfallen, ausrutschen und dann doch wieder aufstehen – auch dies gehört dabei mit zum Lernprozess. Daher sollten Schuhe nicht zu rutschfest sein oder gar eine zu feste Sohle haben. Denn das ist irritierend. Dadurch würde auch eine falsche Information an das Gehirn weitergegeben werden. Man muss lernen, dass man auf glatten oder schrägen Unterböden auch ausrutschen kann. Das gehört zum Großwerden mit dazu!

Barfußlaufen ist wichtig!

Um Fehlstellungen durch zu enge oder zu weite Schuhe, Unterforderung und Verkümmerung bzw. Fehlbelastung der Muskulatur sowie des Bindegewebes, aber auch die Abschottung der Sinne von der Umwelt zu vermeiden ist es förderlich, die Kleinen so oft es zu verantworten ist barfuß oder in Weichlederschuhen laufen zu lassen.
Straßenschuhe haben bei gesunden Füßen nämlich nur zwei Funktionen: Schutz vor Verletzung und Vermeidung einer Unterkühlung. Das Erspüren wechselnder Untergründe (z.B. Gras, Sand, Kies, Rinde, aber auch Laminat, Fliesen, Teppich usw.) auf den Wegen draußen bzw. drinnen ist für die Eigenwahrnehmung und die Wechselwirkung mit der Umwelt immens wichtig.
Die Empfehlung möglichst oft barfuß zu laufen gilt übrigens sinngemäß ebenso für die Erwachsenen. Auch sie sollten ihren Füßen mehr Aufmerksamkeit schenken – sie regelmäßig pflegen und trainieren, um ihrer Gesundheit insgesamt etwas Gutes zu tun!

Herausforderungen selbst erarbeiten – der Weg ist das Ziel!

Eltern sollten das Erkunden der Welt durch ihre Kleinen aus deren Sicht betrachten – dabei gilt: „Der Weg ist das Ziel!“ Muße und Geduld sind erforderlich sowie die Bereitschaft, z.B. bei einem Ausflug nicht unbedingt auf einen bestimmten zu erreichenden Zielort oder eine genaue Zeit zu setzen.
Silke Lucht wies darauf hin, dass Kleinkinder auch ruhig die Fortbewegungsmittel abwechseln sollten, denn die Nutzung nur zum Beispiel von Laufrädern ist zwar wunderbar für die Balance, aber könnte z.B. bei einer dauerhaften Nutzung zu einer einseitigen Belastung der Vorderfüße verleiten. „Warum eigentlich nicht mal wieder das gute alte Dreirad rausholen?“ Bei diesem sind nämlich das reziproke Treten und das gleichzeitige Lenken für die kindliche Entwicklung sehr förderlich.
Geduld ist auch beim Spielen und Ausprobieren erforderlich: Kinder sollten z.B. nicht auf die Rutsche gesetzt werden, sondern sich – natürlich beaufsichtigt von erwachsenen Begleitern – die Höhe erst selbst erarbeiten, um ein Empfinden für Abstände und auch Gefahren entwickeln zu können.

Eltern gefordert: Konservative Behandlungsmöglichkeiten für Fußfehlstellungen

Lucht zeigte das Quer- und das Längsgewölbe des Fußes, welche sich erst ausprägen müssen, da Kinder bis ca. drei Jahre dort noch über ein Fettpolster verfügten. Den Gewölben kommt mit ihrer federnden Wirkung eine schützende Funktion für die Wirbelsäule aufrecht gehender Menschen zu, weshalb Fehlentwicklungen unbedingt behoben werden sollten.
Anhand der mitgebrachten Fußknochen-Modelle erläuterte sie verschiedene Fußdeformationen, so z.B. die sogenannten Knick-, Klump- und Sichelfüße, und betonte den Vorzug einer Korrektur ohne Operation unter aktiver Einbeziehung der Eltern, die sich dafür aber viel Zeit nehmen müssten: Sie sind dann intensiv gefordert, mit ihrem Kind gemeinsam regelmäßig in der physiotherapeutischen Praxis und mehrmals täglich auch zu Hause zu trainieren.
Eine weitere, nunmehr auch bei Kindern um sich greifende Fehlentwicklung der Füße ist der Hallux valgus – eine Deformation des Großzehengrundgelenks. Dabei weicht die Großzehe im Ansatz nach außen ab und durch die Schiefstellung der Großzehenspitze nach innen werden die anderen Zehen bedrängt. Eine wesentliche Ursache dieser Fehlstellung der Zehen sind laut Lucht zu enge Schuhe.

Empfehlungen für Eltern und Schuhverkäufer

Eltern wollten sicher das Beste für ihre Kleinen – aber „gut gemeint“ ist nicht unbedingt auch „gut gemacht“. Übervorsichtige wie überambitionierte Eltern könnten die gesunde Entwicklung eines Babys eher stören statt fördern. Ein gesundes kleines Kind braucht ausreichend Zeit und Freiheit zum Spielen und Ausprobieren, damit es dann am Übergang vom Kindergarten in die Grundschule die altersgemäßen Bewegungsmuster wie Rückwärtslaufen, Hüpfen auf nur einem Bein, den „Hampelmann“ usw. flüssig ausführen kann.
Wenn einer Schuhverkäuferin beim Beratungsgespräch eine mögliche Fehlstellung auffällt, sollte sie selbst keine Diagnose stellen – aber den Eltern durchaus empfehlen, physiotherapeutischen Rat einzuholen.
Ein Tipp für den Kauf von Kinderschuhen: Zur Ermittlung der tatsächlich notwendigen Größe können die Kinder zur Erstellung einer Schablone aufrecht auf ein Stück Pappe gestellt und die Konturen beider Füße senkrecht mit einem Stift nachgezeichnet werden – für die Länge sollte eine Daumenbreite Zuschlag berücksichtig werden, damit die Füße entspannt abrollen können (Messung am besten nachmittags, da die Fußgröße im Tagesverlauf schwankt). Zu kleine Schuhe führen zu einer Behinderung des Abrollens, zu große Schuhe zu unergonomischem Verkrampfen und „Krallen“. Daher sollten Schuhe nie „auf Vorrat“, sondern eben nur passend gekauft werden.

Der „ideale Schuh“…

Auf ihre Wünsche an einen „idealen Schuh“ eingehend, betonte Lucht abermals, dass Schuhe für Gesunde nur „schützen, nicht stützen“ sollten. Als „ideal“ bezeichnete sie Schuhe, die in Bezug auf alle Achsen weich und verformbar sind, damit alle Fußmuskeln regelmäßig gefordert werden.
Insbesondere die Sohle sollte weich sein. Bei gesunden Kindern wäre es kontraproduktiv, eine orthopädische Sohle bzw. ein vorgeformtes Fußbett zu verwenden – auch auf Absätze sollte der Gesundheit zuliebe verzichtet werden.
Zum beruflichen Hintergrund der Vortragenden: Silke Lucht schloss 1992 ihre Ausbildung zur staatl. anerk. Krankengymnastin in Berlin ab, sammelte anschließend Erfahrungen im Klinikum Großhadern München und war dann dort auch bis 2001 als Physiotherapeutin tätig – zuletzt als Leiterin des interdisziplinären Teams der Chirurgie. Seit 2002 ist sie selbstständig in ihrer eigenen Praxis in Berlin-Lichterfelde tätig.

Foto: Mit den neuen POLOLO-Barefoot-"Ballerinas" sehr dicht dran am Barfußlaufgefühl.