Auch POLOLO verwendet das „weiße Gold“: Bericht vom Vortragsabend POLOLO-Fachhändler am 10. September in Berlin

Wieder einmal hatten wir in unserem Berliner POLOLO-ShowRoom im September 2019 einen für Fachhändler interessanten Vortragsabend. Einige Teilnehmer nahmen extra weite Wege auf sich, um die Ausführungen von POLOLO-Geschäftsführerin Franziska Kuntze und Gastsprecherin Heike Hess, Geschäftsstellenleiterin des Verbands der Internationalen Naturtextilwirtschaft (IVN), zu den Schwerpunkten Leder, Baumwolle, Wolle und Hanf (alles Materialien, die von POLOLO für die Schuhkollektion verarbeitet werden) zu verfolgen und wir bedanken uns herzlich für deren Teilnahme!

 

Faserschulung auch auf Video aufgezeichnet

Unser Anliegen war es, die Besonderheiten des biologischen Anbaus bzw. der ökologischen Lederherstellung darzustellen sowie die gesundheitlichen Vorteile für den Verbraucher zu beleuchten. Auch die Aspekte des Arbeitsschutzes und der sozialen Kriterien für zertifizierte Bekleidung und Leder wurden besprochen.
Wie bereits bei unserem Fachhändler-Vortragsabend zum Thema „Laufenlernen“ haben wir die Vorträge schriftlich zusammengefasst und werden unsere Leser nun in vier einzelnen Blog-Beiträgen zu jeder Faser informieren, angefangen mit Baumwolle. Auch filmisch haben wir den Vortrag festgehalten: Sie finden diesen bei POLOLO auf YouTube: „Schulung: Ökologische Baumwolle als Material für Kinderschuhe / Textilien“.

Baumwolle – das weiße Gold als Platzhirsch der Naturfasern

Heike Hess ging zu Beginn ihrer Ausführungen über Naturfasern auf die Baumwolle ein, welche auch von POLOLO zur Schuhherstellung verwendet wird. Dieses „weiße Gold“ gelte gewissermaßen als der „Platzhirsch“ unter den Naturfasern.
Bereits vor mehr als 9.000 Jahren sei sie in Ägypten angebaut worden. Im 16. Jahrhundert habe sie als ein Luxusgut aus Asien gegolten, bis dann im 17. Jahrhundert im Zuge der ersten Industriellen Revolution zunächst in England zum einen Leinen und Hanf verdrängt worden seien und sich Baumwolle als Massenprodukt in Europa ausgebreitet habe.
Erst 2007 sei übrigens „Bio-Baumwolle“ durch eine EU-Öko-Verordnung definiert worden. Hess erläuterte, dass der deutsche Begriff „Baum-Wolle“ eher irreführend sei, denn die Fasern entstammten Sträuchern. In den meisten Sprachen sei die Bezeichnung dem arabischen Wort „qutn“ [kutt:n] entlehnt, s. z.B. „cotton“ im Englischen.

Anbau von Baumwolle: Indien und China teilten sich die Spitzenposition

In knapp 100 Ländern werde Baumwolle angebaut: Indien und China teilten sich die Spitzenposition bei der Produktion, mit Abstand gefolgt von den USA. Der Jahresausstoß liege bei ca. 23 Millionen metrischen Tonnen. Hierfür würden ca. 2,5 Prozent der globalen Agrarflächen genutzt. Nur rund 1,2 Prozent sei Bio-Baumwolle, aus „kontrolliert biologischem Anbau“ (kbA).
Im konventionellen Anbau, d.h. als Monokultur, würden für Baumwolle elf Prozent aller Pestizide bzw. 16 Prozent aller Insektizide eingesetzt – eine Bedrohung für die Biodiversität. Zur Boden- und Gewässerbelastung sorgten zudem synthetische Dünger und Herbizide.
Bei der Bio-Baumwolle werde hingegen bewusst auf synthetische Pflanzenschutzmittel und Dünger verzichtet – alternativ kämen pflanzliche Mittel und Humus zum Einsatz; Schädlinge könnten manuell eingesammelt werden. Ferner sei es entscheidend, überhaupt geeignete Standorte auszuwählen und auf Monokulturen zu verzichten.

Aral-See – ein Lehrbeispiel für nicht nachhaltiges Bewässerungsmanagement

Hess zeigte den zu Kasachstan und Usbekistan gehörenden Aralsee als abschreckendes Beispiel für die extensive Bewässerung und Versalzung des Bodens. Der einst viertgrößte Binnensee der Erde ist heute weitgehend verlandet.
Hess führte aus, dass für ein Kilogramm Baumwolle im konventionellen Anbau 10.000 bis 30.000 Liter Wasser benötigt würden. Bei der Oberflächenbewässerung verdunsteten davon bis zu 60 Prozent. Versalzung und Erosion des Bodens drohten. Ferner belasteten die versprühten Pestizide die Trinkwasserquellen.
Im Bio-Anbau dagegen nutze man zu rund 30 Prozent Regen-Feldbau, um auf zusätzliche Bewässerung zu verzichten. Tröpfchen- bzw. Furchenbewässerung könne etwa 40 Prozent Wasser einsparen – somit reichten 7.000 Liter Wasser für ein Kilogramm Bio-Baumwolle aus. Der unbeschädigte Boden speichere auch viel mehr Wasser.

Einsatz von Entlaubungsmitteln für die mechanisierte Baumwoll-Ernte

Die Maschinenernte im konventionellen Anbau erfordert es, dass alle Kapseln des Strauches zur selben Zeit reif werden – hierzu erzwinge man eine Notreife durch Einsatz von Entlaubungsmitteln (Nervengifte – vergl. „Agent Orange“ im Vietnamkrieg), erklärte Hess.
Problematisch sei, dass die dann geöffneten Kapseln das Gift aufsaugten. Es komme mittelfristig zu einer Verwüstung des Bodens – auch hierdurch seien die Biodiversität und das Grundwasser bedroht.
Im Bio-Anbau seien Entlaubungsmittel grundsätzlich verboten und die Ernte erfolge über einen längeren Zeitraum manuell.

Züchtung gentechnisch veränderter Baumwolle mit vermeintlichen Vorteilen

Die Züchtung gentechnisch veränderter Baumwolle für den konventionellen Anbau verspricht zunächst eine Reihe von Vorteilen: Resistenz gegenüber Giften, Reduzierung des Einsatzes an Chemikalien, Ertragssteigerung, aber auch Einfluss auf die Faserqualität oder geringerer Wasserverbrauch.
Dennoch, so Hess, sei der Einsatz der Gentechnologie im Bio-Anbau verboten: Gentechnisch veränderte Pflanzen seien unfruchtbar und lieferten kein Saatgut für das Folgejahr, was einen höheren Kostenaufwand bedeute und Farmer in eine Schuldenfalle treibe.
Auch könnten Insekten im Laufe der Zeit selbst Resistenzen entwickeln und die Ausbringung gentechnisch veränderter Pflanzen sei ein irreversibles Experiment. Eine scharfe Abgrenzung im Feldanbau sei gar nicht möglich und GV-Pflanzen könnten andere Flächen kontaminieren.

Baumwoll-Anbau: Fehlendes Problembewusstsein beim Einsatz von Chemikalien

Die sozialen Folgen des konventionellen Anbaus, insbesondere im Zusammenhang mit Vergiftungen durch Pestizide und Farben, dürften nicht ignoriert werden: Aufgrund der vorherrschenden Armut in vielen der Anbauländer sei kein Geld für Schutzkleidung vorhanden.
Die schlechte bzw. unzureichende Kennzeichnung der Mittel und das aus mangelhafter Aus- und Weiterbildung resultierende fehlende Problembewusstsein führe zu Millionen Vergiftungen, wovon Tausende tödlich verliefen.
Für den biologischen Anbau der Baumwolle werde in der Regel Schutzkleidung zur Verfügung gestellt. Die Beschäftigten erhielten Ausbildung, Schulung und Beratung – sowie Informationen in der Landessprache. Bauern unterstützten sich gegenseitig. Durch Bonusprogramme werde die Einkommenssituation verbessert.

Kehrseite der Verwendung von Baumwolle: Kinder- und Sklavenarbeit als Extremfall

Für Anbau und Verarbeitung konventioneller Baumwolle sei es auch zu Auswüchsen wie Kinderarbeit und zuweilen auch regelrechten Sklavenverhältnissen gekommen. So hätten etwa in „Sweatshops“ bereits Kinder zehn bis 14 Stunden ohne Pause arbeiten müssen.
Auch der innerfamiliäre Einsatz sei oft mit einem Abbruch der Schule einhergegangen. Laut Schätzungen seien rund 175.000 Kinder in der indischen Baumwollindustrie im Einsatz gewesen.
Hingegen bemühten sich Projekte und Initiativen, beim Anbau von Bio-Baumwolle grundsätzlich von Anfang an auf Kinderarbeit zu verzichten. Ihnen würden vielmehr Schulprojekte gewidmet. Auch habe man sich dem Anspruch zur Zahlung fairer Löhne verpflichtet.

Baumwolle zeichnet sich vor allem durch Hautfreundlichkeit aus

Die Beliebtheit der Baumwolle sei z.B. ihrer Hautfreundlichkeit geschuldet – laut Hess kratzt sie nicht und ist schön atmungsaktiv. Zudem weise sie eine gute Saugfähigkeit auf.
Aufgrund ihrer Hitze- und Laugenbeständigkeit sei sie gut waschbar und langlebig.
Baumwolle neige nicht zur Verfilzung und sei mottensicher. Ihre Dehnbarkeit liege über der von Bastfasern und sei reißfester als Wolle oder Seide.

Baumwolle – ideal für die Sommermonate

Baumwolle erfrischt und wirkt eher kühlend (sie hält kaum warm) und liefert daher eher Stoffe für die warme Jahreszeit. Wir von POLOLO verwenden gerne Baumwolle als Alternative zu Leder, da dieses Material besonders elastisch und leicht am Fuß liegt – es ist insbesondere in den Sommermonaten ideal für Kinderfüße.

Foto: Die neuen POLOLO-Hausschuhe "Uni" aus Baumwolle für ein frisches Tragegefühl.