Notizen vom POLOLO-Fachhändlervortrag mit Dr. Wieland Kinz

Am 5. April 2022 fand der digitale POLOLO-Fachhändlervortrag „Barfuß(-schuhe) im Kindergarten. Verblüffende Untersuchungsergebnisse – Erkenntnisse des Forschungsprojekts ,Kinderfüße-Kinderschuhe‘ aus Erster Hand“ mit dem österreichischen Sportwissenschaftler Dr. Wieland Kinz statt. Als Leiter des Forschungsteams „Kinderfüße-Kinderschuhe“ widmet er sich der Untersuchung, ob Kinder überhaupt passende Schuhe tragen bzw. warum eben doch oft zu kleine Schuhe getragen werden und welche Fußschäden diese verursachen können. Anfänglich noch auf Österreich fokussiert, führte ihn die Erkenntnis, dass nicht passende Schuhe regelrecht krank machen können, zu Untersuchungen auf internationaler Ebene. „Barfuß im Kindergarten – verrückt?“ – diese Frage stellte Dr. Kinz an den Eingang seiner Ausführungen und berichtete, dass seine Untersuchung in Japan vor zwei Jahren zu Überraschungen geführt hätte.

Kindern fehlt manchmal noch das Gefühl für die richtige Passform…

dr-wieland-kinz-vortrag-bild-1-fussverkruemmungProblematisch und für Eltern sowie Verkaufspersonal gleichermaßen wichtig zu beachten ist, dass Kinder bis zum Alter von etwa zehn Jahren evtl. noch kein richtiges Gefühl für die Passform haben.

Das Forschungsteam hat Hunderte von Kinderschuhen in mehreren Ländern untersucht – und egal wie zerrissen, zu klein und abgenutzt auch immer, waren sie dennoch oft die „Lieblingsschuhe“ der betreffenden Kinder. Füße in zu kurzen Schuhen führen aber leider zu verbogenen Zehen: Über 70 Prozent der drei- bis sechsjährigen Probanden wiesen bereits einen bedenklich veränderten Großzehenwinkel auf.

Eine weitere wichtige Erfahrung war, dass entgegen der Erwartung Füße in manchen Socken überraschenderweise kleiner und schmaler seien, als bei einer reinen Barfuß-Messung. Die Bedeutung der Socken-Passform sei bisher vernachlässigt worden: „Immer zu kurz und zu schmal!“, fand Dr. Kinz heraus. Auch bei den Socken würde eigentlich ein gerader Großzehenschnitt benötigt (s. „plus12socks“), um Fußverformungen zu verhindern.

Warum oft zu kleine Schuhe?

Ursächlich hierfür ist zum einen, dass die Füße und Schuhe während des Tragens oftmals nicht mehr überprüft werden. Kinderfüße wachsen aber schnell und gerade im Kindergarten wird oft von den Eltern nicht mehr überprüft, ob der Schuh überhaupt noch passt. Bei weichen Schuhen lässt sich noch sehr schnell nachprüfen und erkennen, wo die Zehen sind.
Bei POLOLO-Straßenschuhen kann man die Innensohle immer mal wieder herausnehmen und auch während des Tragens prüfen, ob der Schuh noch passt: Man stellt den Fuß einfach mal zwischendurch auf die herausgenommene Innensohle.

Schuhgrößen: Auch die Entdeckung, dass offizielle Schuhgrößen eigentlich oft nicht korrekt oder unter den Marken vergleichbar sind, resultiert oftmals in zu kleinen oder nicht passenden Schuhen. Kinderschuhe sind zu 90 Prozent fast immer kürzer als erwartet. Dr. Kinz betonte nochmals, dass Schuhe, die kürzer als Füße sind, von Kindern nicht immer als zu klein erkannt werden! Die Schuh-Auswahl erfolge oft nach der irreführenden Gewöhnung. Sein Fazit: „Es passt sehr wenig!“ Schuhgrößen – insbesondere für Kinderschuhe – seien bis heute eben noch nicht normiert.

Auf die richtige Passform kommt es an!

dr-wieland-kinz-vortrag-bild-2-fingerprobeLänge: Die Bewertung, was „normal“ und was „verrückt“ sei, wandle sich durchaus im Laufe der Zeit. Die Frage, wie sich ganz praktisch die Innenlänge von Schuhen quantitativ messen lasse, war zunächst noch seltsam erschienen. Das von ihm entwickelte Messgerät „plus12“ hat inzwischen in vielen Ländern Anklang gefunden, insbesondere in Schuhläden – so auch im POLOLO-ShowRoom – wird dieses Messgerät gerne eingesetzt.

Breite: Leider gebe es bezüglich der Breite bisher keine entsprechenden wissenschaftlich basierten Erkenntnisse zur Passform. Gerade bei Kindern ist es daher sicherlich sinnvoll, einen elastischen – zum Beispiel einen Gummizug – oder einen flexibel verstellbaren Verschluss wie etwa Schnürsenkel oder einen Klettverschluss zu haben. Zu beachten ist hierbei, dass sich im Laufe des Tages die Füße auch in der Breite verändern können.
Ansonsten sei die traditionelle Überprüfung der Passform in der Länge mit Erwachsenenfingern noch immer verbreitet: Die Dicke des Daumens eines Erwachsenen liege bei ca. 17 bis 18 Millimeter – dieser Spielraum garantiere dann eine Passform für einige Monate. Ansonsten betrage die Dicke des kleinen Fingers eines

Erwachsenen ca. zwölf Millimeter. In diesem Spektrum bewegten sich die Idealmaße für Schuhe. Vorteilhaft ist, dass diese „Messinstrumente“ immer mitgeführt würden. Leider würden wenige der Eltern diesen empfohlenen Spielraum von zwölf bis 17 Millimetern für die Passform kennen. Wichtig sei bei dieser Methode, dass die Kinder entspannt und aufrecht stehen, so dass die Zehen nicht verkrampfen bzw. „krallen“. Als kleiner Tipp: Wenn Sie vorne die Fingerprobe machen, dann gerne gleichzeitig oben auf den Spann leicht drücken, damit das Kind nicht automatisch die Zehen einrollt!

Einfache Methoden zur optimalen Passform-Messung

pololo-krabbel-hausschuh-toddler-gruen-seitlich-innensohleLetztere Bedingung gilt auch für die von POLOLO empfohlene Methode der Passform-Messung mit Hilfe des direkten Aufsetzens des Füßchens auf die Einlegesohle. Hierbei muss laut Dr. Kinz sichergestellt sein, dass diese der exakten Innenlänge des Schuhs entspricht.

Alternativ rät Franziska Kuntze zur Erstellung einer eigenen Schablone: Auch hierbei sollte das Kind entspannt aufrecht stehen – barfuß auf einem Blatt Papier. Mit einem Stift wird die Fußkontur abgebildet. Die dann ausgeschnittene Schablone wird von der Ferse bis zur großen Zehenspitze vermessen. Aus der ermittelten größten Länge in Zentimetern kann über die entsprechende Größentabelle eine Vorauswahl getroffen werden und durch Anlegen an die Innensohle eine direkte Abschätzung der Passform (unter Berücksichtigung des von Dr. Kinz benannten Spielraums) vorgenommen werden. Dr. Kinz erinnerte bei diesen Methoden der Passform-Messung daran, die Fersenkrümmung zu berücksichtigen, welche sonst leicht zu einer Abweichung von einem Zentimeter führen könnte.

Ein trainierter Fuß kann im Prinzip barfuß überall laufen

dr-wieland-kinz-vortrag-bild-4-pololo-barfuss-schuh-sportschuhDie zentrale Erkenntnis seiner über 15-jährigen Forschung: „Barfuß gehen am besten!“ Feste Straßenschuhe schränkten erwiesenermaßen die Beweglichkeit der Kinderfüße zu 30 Prozent ein. Indes mache es die „Dosis“ – wenn z.B. ein Kind im Winter draußen über vier Stunden Straßenschuhe getragen hat, sollte es anschließend zur Erholung daheim eine Stunde barfuß laufen.

Dr. Kinz verwies auf die in Japans Kindergärten eingeführte und bereits in Teilen umgesetzte „barefoot policy“ – die Kinder dort sollten bewusst ihre Umwelt auch mit den Füßchen wahrnehmen und Jahreszeiten sowie verschiedene Untergründe ungefiltert spüren können. Ansonsten stehe dieser überraschenden Erfahrung gegenüber, dass es auch bei der Passform japanischer Kinderschuhe ähnliche Probleme wie in Europa gebe.

Angesicht der Unsicherheit hinsichtlich des Laufens ohne Schuhe und Socken, betonte Dr. Kinz, dass sich das Nervensystem prinzipiell auf jeden Untergrund einstellen könne. Es gebe heute keinen einzigen guten Grund, Kinder feste stützende und formende Schuhe tragen zu lassen (Ausnahme: das Kind hat hierfür eine Empfehlung von einem Orthopäden bekommen) – solche Schuhe blieben im Prinzip ein „Fremdkörper“ am Fuß.

Gleichwohl riet er von einer ideologischen Überfrachtung ab: Natürlich gehe es in unseren Breiten nicht immer ohne Schuhe. Daher sei es eben eine so wichtige Aufgabe des Schuhhandels, die Eltern gut zu beraten: Schuhe müssten einfach gut passen, möglichst formbar und flexibel sein! Für den Schuh-Fachhandel böte sich somit ein „Riesen-Chance“, sich durch qualifizierte Beratung (erforderlicher Spielraum, Prognose Wachstum etc.) „meilenweit von der Konkurrenz zu unterscheiden“.

Zentrale Aussagen im Überblick:

+++ falsche Passform gefährdet Gesundheit +++ empfohlener Spielraum von 12 bis 17 mm +++ 
+++ Gefühl für die Passform oft trügerisch +++ Messung mit Schablone einfach möglich +++ 
+++ veränderter Großzehenwinkel als Problem +++ möglichst oft barfuß laufen lassen +++ 
+++ feste Schuhe im Prinzip ein Fremdkörper +++ formbare und flexible Barfußschuhe anbieten
+++ Norm-Schuhgrößen fehlen bisher +++ Eltern und Kinder gut beraten +++ 

 

Bildnachweis: Titelbild u. Abb. 1-2 u. 4 © Dr. W. Kinz, Abb. 3 © Primeri GmbH


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