Wie kann ökologische, faire Produktion und Wirtschaft noch mehr zum Standard werden?

Lange schon beschäftigt mich das Thema, wie kann ökologische, faire Produktion und Wirtschaft noch mehr zum Standard werden? Was können wir als ökologische Produzenten noch besser machen, gar andere Unternehmen mitnehmen auf diesem Weg? Wie können wir Verbraucher, Unternehmen, Land und Leute und Politiker motivieren, dass es Freude und Sinn macht nachhaltig zu arbeiten? Auf der Suche nach Antworten und guten Beispielen sind wir, POLOLO, durch unsere Freunde von People Wear Organic auf SEKEM in Ägypten gestoßen. Kann es sein, dass wir gerade dort eine Antwort finden? Mitten in einem Land, was unter Armut, Wassermangel, Überbevölkerung und Bildungsdefiziten leidet?

Ende Oktober ging es nun zusammen mit dem IVN (dem Verband für nachhaltige Naturbekleidung) auf Reise.  In einem Land voller Probleme und Zerrissenheit konnten wir interessante Antworten finden. Unsere einwöchige Reise hat uns tief beeindruckt – voller spannender Begegnungen und inspirierender Momente. Lasst uns Euch mitnehmen und einen kleinen Einblick in unsere Erlebnisse geben.

Ortstermin Ägypten: Sekem setzt auf nachhaltige und faire Produktion

SEKEM lässt sich vielleicht am besten als lebendige Vision einer nachhaltigen Zukunft beschreiben: Auf der einen Seite ein Wirtschaftsunternehmen, das sich im globalen Wettbewerb behauptet, und auf der anderen Seite ein Ort, an dem Erde und Ressourcen so behandelt werden, dass sie auch künftigen Generationen ein gutes Leben ermöglichen.

Die SEKEM-Initiative wurde in den 1970er-Jahren von Ibrahim Abouleish gegründet, der entschlossen war, Ägyptens ökologische und soziale Herausforderungen anzugehen – von Umweltverschmutzung über Wassermangel bis hin zu Bildungsdefiziten. Sein Ziel war es, Ressourcen schonend zu nutzen und gleichzeitig faire Lebensbedingungen zu schaffen.

Heute arbeiten mehr als 2.500 Menschen bei SEKEM, unterstützt von einem globalen Netzwerk aus Partnern, Förderern und Freunden. SEKEM umfasst weitaus mehr als nachhaltige Landwirtschaft und innovative Wassergewinnung: Schulen, Kindergärten, eine Universität, medizinische Versorgung und der Ausbau erneuerbarer Energien – insbesondere Solarenergie – sind Teil der Initiative. Besonders wichtig ist dabei, ägyptische Kleinbauern aktiv einzubeziehen, um soziale Gerechtigkeit zu fördern und gemeinsam eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.

Kompost – Grundbaustein nachhaltiger Landwirtschaft

Auf der SEKEM-Farm nahe Kairo konnten wir das Kernelement des biodynamischen Anbaus erleben: den Kompost. Er sichert die Fruchtbarkeit der Böden – eine Grundvoraussetzung für gesunde Pflanzen, für die gesamte Nahrungsmittel- und Baumwollproduktion. Angesichts der Tatsache, dass nur etwa 10 % der Fläche Ägyptens landwirtschaftlich nutzbar sind, ist die Fruchtbarkeit der Böden entscheidend, um die Versorgung einer wachsenden Bevölkerung nachhaltig zu sichern.

Der auf der SEKEM-Farm produzierte Kompost wird in verschiedene Regionen Ägyptens geliefert, um selbst die kargesten Böden (wie zum Beispiel Wüstenboden) ohne chemische Zusätze fruchtbar zu machen. Die Herstellung folgt dabei biodynamischen Prinzipien und geht über klassische Kompostierung hinaus: Neben pflanzlichen und tierischen Materialien wird zum Beispiel auch Kuhmist in Kuhhörnern vergraben – ein traditionelles Verfahren, das den Boden energetisch stärken und die Bodenqualität verbessern soll. Diese Methode hat uns tief beeindruckt und gezeigt, wie wichtig die Pflege der Böden für die Zukunft ist.

Baumwolle – wasserschonend angebaut

Gemeinsam mit Constanze Abouleish, der Schwiegertochter von Sekem-Gründer Ibrahim Abouleish, konnten wir im Nildelta die Baumwollernte erleben und selbst Hand anlegen. Dort steht Bio-Baumwollanbau für den Verzicht auf Chemikalien, setzt auf biodynamische Methoden, die Böden langfristig gesund und fruchtbar halten und somit weniger Wasser benötigen – ein entscheidender Vorteil in Zeiten des Klimawandels und zunehmender Wasserknappheit.

Eigens angepflanzte Bäume rund um die Baumwollfelder beschatten die Böden, brechen den Wind und schützen so die Felder vor Austrocknung. Die Bäume erhöhen gleichzeitig den Grundwasserspiegel. In der Nähe des Nils können die Bauern auf Grundwasser und Brunnen zurückgreifen. Der ökologische Landbau stellt sicher, dass das Wasser im Kreislauf bleibt: Es versickert nicht einfach, sondern speist Bäume und Pflanzen. Diese biodynamischen Anbaumethoden sind umweltfreundlich und schonen die Ressource Wasser. Je länger die Bauern die Felder ökologisch bewirtschaften, desto effizienter -– bis zu 90 % Wasser sparen sie ein. Damit schafft SEKEM eine zukunftsfähige Grundlage für die Baumwollproduktion. Für das Pololo-Team das Highlight, schließlich basieren viele unserer Produkte selbst auf Bio-Baumwolle.

Klimahelden: Die Bauern von heute

Die Klimaveränderungen betreffen uns alle – eine Antwort auf die Frage, wie wir CO₂-Emissionen reduzieren und binden können, kam von Helmy Abouleish, dem Sohn des Gründers und heutigen Geschäftsführers von Sekem: „Die Bauern sind die Klimahelden unserer Zeit“. Biodynamisch arbeitende Bauern leisten mehr als nur die Versorgung mit Lebensmitteln. Durch nachhaltige Methoden erhalten sie die Böden für zukünftige Generationen und binden aktiv CO₂.

Jeder Landwirt, der auf biodynamische Bewirtschaftung umstellt, trägt langfristig zur Bodenfruchtbarkeit bei. Statt Monokulturen wird im Wechselanbau mit Pflanzen wie Baumwolle und Getreide sowie Ruhephasen gearbeitet, um die Böden zu schonen. Aber was bewegt Bauern, die heute noch konventionell arbeiten, auf ökologischen Landbau umzustellen? Klimazertifikate bieten ihnen finanzielle Unterstützung.

Durch diesen Ansatz haben sich in Ägypten bereits Tausende Kleinbauern dem biodynamischen Landbau verschrieben. Sekems erklärtes Ziel: In den nächsten Jahren sollen 40.000 Bauern nachhaltige Landwirtschaft betreiben. So können Klimaschutz und Landwirtschaft Hand in Hand gehen – die ägyptischen Bauern (genauso wie unsere Bauern hier in Deutschland natürlich) sind Vorbilder für eine nachhaltige Zukunft.

Die grüne Wüste Ägyptens  – Wie macht man Land urbar und schützt gleichzeitig Klima sowie die Existenz der Kleinbauern?

Ich gebe zu, als wir das erste Mal von „Greening the Desert“ hörten, hatten wir einige Fragezeichen im Kopf. Viele Hektar Wüstenboden fruchtbar machen – wie soll das funktionieren? Und das ohne gigantischen Energie- und Wasseraufwand? Ohne andere Ökosysteme zu gefährden?

SEKEM hat in den letzten Jahren Wüstenflächen erworben, um dort Modellhöfe zu entwickeln. In der abgelegenen Region Wahat El-Bahareyya, etwa 500 Kilometer von der SEKEM-Mutterfarm entfernt, hat uns Helmy Abouleish persönlich durch sein ökologisches Zukunftsprojekt.

Hier wird die Wüste auf beeindruckende Weise begrünt – mit dem gezielten Einsatz von Solarenergie, hochwertigem Kompost, durchdachter Pflanzenauswahl und minimalem, aber notwendigem Brunnenwasser. Besonders eindrucksvoll: Durch den ökologischen Landbau sinkt der Wasserbedarf von Jahr zu Jahr.

Das jahrzehntelange Wissen des SEKEM-Teams wird hier angewandt, um das scheinbar Unmögliche zu erreichen: Wüstenböden in fruchtbares Land zu verwandeln und gleichzeitig ein nachhaltiges, zukunftsweisendes Modell für Landwirtschaft zu schaffen.

 

CO₂: Die Herausforderung unserer Zeit

Landwirtschaft kann ein Schlüssel zur CO₂-Bindung sein – jeder Landwirt, der biodynamisch anbaut, trägt aktiv zur Reduzierung der Emissionen bei. Doch wie motiviert man Bauern, die lange konventionell gewirtschaftet haben, auf biodynamischen Anbau umzustellen? Klimazertifikate bieten eine Lösung: Kleinbauern erhalten finanzielle Unterstützung, die ihnen eine stabile Existenz sichert. Doch für die meisten Bauern geht es um mehr als nur Geld – es ist die Anerkennung und Wertschätzung ihrer Arbeit als Beitrag zum Klimaschutz, die ihnen Kraft gibt.

Obwohl ich dem Zertifikate-Handel sonst eher kritisch gegenüberstehe, konnten wir hier erleben, dass er tatsächlich funktioniert und einen positiven Wandel bewirkt. Tausende ägyptische Kleinbauern haben bereits umgestellt, und in den nächsten Jahren sollen es bis zu 40.000 werden. Mit ihrem Einsatz zeigen sie, wie Klimaschutz und Landwirtschaft Hand in Hand gehen können und beweisen, dass nachhaltige Lösungen möglich sind, wenn Menschen zusammenkommen und sich gegenseitig stärken.

Gemeinsam für eine nachhaltige Zukunft

Die Reise nach Ägypten hat uns beeindruckt. Wir sind Menschen begegnet, die für eine nachhaltige Welt arbeiten. Das stärkt unser eigenes Engagement, indem es zeigt, dass wir alle einen Beitrag leisten können, um unseren Planeten zu bewahren.

Wir sind überzeugt: Jeder Schritt zählt. Und vielleicht führt der Weg eines Tages auch Euch nach SEKEM. Dort gibt es ein Guesthouse, das Besuchern einen direkten Einblick in die Arbeit und die Visionen vor Ort ermöglicht. Wenn Ihr Fragen zu unserer Reise habt, meldet Euch gerne bei uns.

 

Lieben Gruß, Franziska & Euer Pololo Team